Susan Stadler   Malerei
Susan Stadler im Atelier


DR. ANDREAS GABELMANN

AUSSTELLUNG IM KUNSTVEREIN MARKDORF
Ausschnitt zur Vernissage

© Dr.Andreas Gabelmann, Kunsthistoriker, Radolfzell

Eine strenge, beinahe monochrome Malerei, die auf die elementare Kraft der reinen Farbe vertraut, führt uns Susan Stadler in ihren Gemälden vor. Die teils großformatigen Kompositionen sind das Ergebnis eines konzentrierten und langwierigen Arbeitsprozesses, in dem die Künstlerin Schicht um Schicht transparenter Farbmaterie mit breiten Pinseln, Spachteln und Rakeln in großzügigen Bahnen auf dunklen Untergrund aufbringt. Im allmählichen Anwachsen der Malschichten entstehen vielfältigste Überlagerungen der einzelnen Farbzonen, wobei jeder neue Farbauftrag zufällige aber durchaus gewollte Spuren und Strukturen auf der unteren Schicht hinterlässt.

Geboren 1964 in Nonnenhorn erlernte Susan Stadler die Malerei von 1989-1994 an der Münchner Kunstakademie. Neben ihren freien Arbeiten auf Leinwand und Alucobondplatten ist Stadler auch mit Kunst-am-Bau-Projekten und architekturbezogenen Wandgestaltungen im zeitgenössischen Kunstgeschehen präsent. Die Künstlerin lebt und arbeitet in München und Nonnenhorn.

Ihre Gemälde entfalten sich im Energiefeld zwischen Farbe, Fläche und Raum. Sie leben vorrangig aus der intensiven Leuchtkraft der Farbfelder. Durch den dynamischen, mal gestisch-spontanen, mal eher kontrollierten Duktus des Malvorganges bilden sich reizvolle Linien und Rillen, feinste Texturen und spröde Abschabungen, deren Konsistenz und Dichte vom Druck und Tempo des Malaktes abhängt. Schließlich entwickeln sich fragile Farb-Licht-Wirkungen, die ganz eigene Bildräumlichkeiten erzeugen. Akkurat dokumentiert Stadler jeden ihrer Arbeitsschritte schriftlich, gleichsam um das Dauerhafte im Prozess des Malens zu fixieren. Gerne agiert sie in Serien, um wie in Versuchsreihen das wechselseitige Zusammenspiel von Farbe und Grund, Bewegung und Ruhe, Übermalen und Freilegen, immer wieder auf Neue zu erkunden. Durch das Anhäufen von Schichtungen und die mehrfachen Überstreichungen entstehen subtile Vibrationen in der Oberflächenwirkung. Alle Schichten bleiben bis zur Basis meist transparent und erzeugen lebendige Schwingungen innerhalb des Farbmediums. Wie ein atmender Resonanzboden wirken die Membrane der jeweiligen Schichten in die Bildtiefe weiter. An den Bildrändern bleiben die einzelnen Farbhäute stets sichtbar und lassen sich dort wie eine geschichtete Abfolge von zeitlichen Vorgängen konkret ablesen. Somit verweisen die Gemälde von Susan Stadler einerseits auf die pure Aktion der Malerei selbst, also auf die Eigensprache der absoluten Farbe, zum anderen aber auch auf den Moment des Dauerhaften im Flüchtigen, indem sie den Faktor Zeit unmittelbar sinnlich erfahrbar machen.



HANNE WESKOTT

Zu den Bildern von Susan Stadler

„Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen.“

Mit diesen Worten beginnt Heinrich von Kleist seinen berühmten Aufsatz „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“. Auf die Kunst übertragen lautete der Ratschlag: Die Bildidee entsteht während des Malens. Das kann zwar keine Allgemeingültigkeit beanspruchen, weil Künstler ihre Bilder oft mit Hilfe genauer Vorzeichnungen und Konzepte entwickeln und es in der Kunst Arbeitssituationen gibt, die eine detaillierte Vorbereitung erfordern, so zum Beispiel raumspezifische Werke.

Auf Susan Stadler aber trifft der Satz zu. Das soll nicht heißen, dass sie ganz spontan und ohne jede Bildvorstellung ans Malen geht, sondern nur, dass völlig offen ist, wohin sie der Arbeitsprozess führen wird, selbst dann, wenn sie an einer ihrer Bilderreihen, in denen gewisse Vorgaben existieren, weiterarbeitet. Sie verlässt sich, ganz wie Kleist es seinem Freund rät, darauf, dass während des Malens die Bildidee immer konkreter wird. Künstler sprechen oft von einer ständigen Zwiesprache mit dem Bild, das sie als ernst zu nehmendes Gegenüber betrachten, mit dem so mancher Streit ausgefochten werden muss.
Auch Susan Stadler erzählt von „Kampfbildern“. Das sind die, bei denen sie Schicht um Schicht aufträgt und doch nie zufrieden ist. Heute weiß sie, dass sich gerade in diesen Bildern oft etwas Neues ankündigt, etwas, das sie zu akzeptieren noch nicht bereit ist. Und dieses Neue entsteht nicht im Kopf, sondern während der Arbeit bei höchster Konzentration. Weil aber so ein Entstehungsprozess unabhängig von seiner Dauer später im Bild nicht mehr direkt ablesbar ist, schreibt sich Susan Stadler die einzelnen Arbeitsschritte auf. Es ist als wollte sie damit das Prozesshafte festhalten, um für sich selbst die Geschichte des Bildes nicht zu vergessen.
Denn so sehr sich die Entscheidungen rein oberflächlich gesehen auch gleichen mögen – schließlich verhalten sich Farben nicht willkürlich, sondern haben ihre eigenen Gesetze - , so sehr ist jede Situation beim Malen einmalig. Das hängt damit zusammen, dass Farben nicht als Solitäre funktionieren, sondern stets von ihrer Umgebung und dem Licht abhängig sind. Ob ein Rot leuchtet oder stumpf wirkt, hängt von seiner Zusammensetzung und von den benachbarten Farben und deren Zusammensetzung ab, wobei Zusammensetzung hier auch für Schichtung steht. Denn Susan Stadler baut ihre Bilder in vielen Malschichten auf, wobei die erste oder alle frühen zum Schluss oft gar nicht oder nur noch ganz am Rande zu erkennen sind, aber sie wirken durchaus weiter, besonders wenn die Künstlerin wie so oft helle Farbtöne auf dunkle setzt. Dann färbt ein tiefroter Grund das lichte Blau der Oberfläche partienweise rosarot, während ein tiefblauer Grund den hellen Blauton verstärkt.

Susan Stadler arbeitet viel in Reihen, schon um die Wirkung der Farbmischungen durchzuspielen und zu ergründen und die Farbe zum Leuchten zu bringen. Dabei geht sie keineswegs systematisch vor, selbst dann nicht, wenn sie ihre Aufzeichnungen zur Hilfe nimmt, sondern nach der eingangs erwähnten Kleistschen Regel. Eine Änderung zieht andere nach sich und jedes Mal unterscheidet sich das Ergebnis vom vorhergehenden, selbst wenn beispielsweise das große Bildfeld immer irgendwie blau und der Längsstreifen am Rand immer mehr oder weniger rot ist.
Diese Reihen entstehen oft in großen Abständen und sind auch nicht irgendwann abgeschlossen, weil die Möglichkeiten erschöpft sind, sondern können nach langer Zeit wieder hervorgeholt und weitergeführt werden. Hier werden schließlich keine physikalischen oder sonstigen Experimente durchgeführt, sondern Bilder gemalt. Es gibt also keine Versuchsanordnung mit einem festgelegten Fragenkatalog. Vielmehr ist Susan Stadler völlig offen für den Dialog mit dem Bild, der sich in dem selbst gesetzten Rahmen frei entfalten kann. Aber jedes Bild enthält die Wurzeln für ein weiteres Bild, und der Prozess kann von Neuem beginnen.

So offen Susan Stadler auch der Leinwand oder der Alu Cobond-Platte, die ein von ihr bevorzugter Bildgrund ist, gegenübertritt, so hat sie eine grundsätzliche Entscheidung getroffen. Sie malt nicht gegenständlich. Ihre Bilder repräsentieren nur sich selbst. Sie bilden nichts ab und abstrahieren nicht die Wirklichkeit, auch wenn in manchen von ihnen eine waagrecht verlaufende Linie wie eine Horizontlinie verläuft.
Ihr Thema ist die Farbe. Die Wahl der Farbe allerdings unterliegt nicht ganz dem freien Willen der Künstlerin: „Man sucht die Farbe nicht aus. Sie kommt zu einem.“ So mag sie besonders ein blasses Gelbgrün oder das Caput mortuum, ein dunkler, ins rötliche gehender Braunton. Aber natürlich gibt es auch ein dunkles Grün, ein tiefes Rot und ein mit unterschiedlichen Farben abgetöntes Gelb. Was bei ihr aber nicht vorkommt, sind reine Farben und harte Kontraste. Ihre Bilder sind nicht bunt und wirken weder flächig noch statisch. Die ineinander fließenden Farbschichten schaffen Raum und die häufig sichtbare Geste des Farbauftrags versetzt die Oberfläche in Schwingung. Jede Bewegung und Gegenbewegung hat Auswirkungen auf die Erscheinung des Bildes und bestimmt den Rhythmus der Farben.
Susan Stadler arbeitet nicht aus dem Handgelenk, sondern mit dem ganz Körper. Die Beschränkung auf die rechteckige Fläche der Leinwand oder Alu-Cobond-Platte empfindet sie immer stärker als Einschränkung. Viel lieber hätte sie ganze Räume oder wenigsten Wände zur Verfügung, weil sie dann mit der Farbe direkt in den Raum eingreifen könnte.